Mittwoch, 20. Dezember 2006

Bürgersprechstunde 2.0 – Politische Kommunikation im Zeitalter des Mitmach-Webs

Seit nunmehr sieben Monaten beehrt uns Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel unter www.bundeskanzlerin.de allsamstäglich mit ihrem Vodcast, um uns über Ziele, Positionen und Vorhaben der Großen Koalition aufzuklären. Ob nun Haushaltsdebatte, NATO-Gipfel oder Nahostkonflikt, getreu dem Motto „die Kanzlerin direkt“ – wie im Vorspann des Vodcasts getitelt wird – widmet sich Merkel mittels Video-on-demand direkt an den politikinteressierten "Onliner". Noch bevor die erste Ausgabe veröffentlicht war, erkannte Klaus Eck in einem Beitrag für PR-Blogger, dass sich Angela Merkel damit als absolute Vorreiterin in der deutschen Politik erweise, wurden Online-Videos von den Parteien bis dato lediglich als nettes Spielzeug angesehen, welches vor allem bei Wahlkämpfen zum Einsatz kam. Angela Merkel also eine Revolutionärin des PR-Angebots der politischen Kommunikation? Ja! Doch nicht nur unsere Bundeskanzlerin weiß die Features des Web 2.0, des Mitmach-Webs für die Politik zu nutzen. Immer häufiger suchen Politiker, ob nun auf kommunaler, landes- oder bundespolitischer Ebene den direkten Kontakt zum Bürger oder zumindest zu jenem Web 2.0 affinen Bürger. Ein beliebtes Mittel für den Dialog zwischen Politiker und Bürger stellt dabei vor allem der Weblog dar. Gehören deren Einsatz in den USA bereits seit den Präsidentschaftswahlen 2004 zum politischen Alltag, wurden Weblogs als Wahlkampf-Instrument in der deutschen Politik erstmals bei der Bundestagswahl vergangenen Jahres verstärkten eingesetzt. So bloggten Ursula von der Leyen, Andrea Nahles und viele, viele mehr um die Gunst der Wähler respektive der Wählerstimmen. Eine kleine Übersicht über Politiker-Weblogs im Netz findet sich unter www.wahl.de. Doch nutzen nicht ausschließlich Bundestagsabgeordnete Weblogs zur Kontaktaufnahme mit der Wählerschaft. Auch bei Bürgermeisterwahlen erfreuen sich die „Onlinetagebücher“ zunehmender Bedeutung, wie nicht zuletzt die Kandidatenweblogs während der Oberbürgermeisterwahl in Trier zeigten. Weblogs sind aber bei weitem nicht die einzige Plattformen der politischen Kommunikation im Web 2.0. Die partizipative Politik findet auch über myspace.de, campaings wikia oder congresspedia.com (aus den USA stammend) statt. Darüber hinaus sorgen Onlineportale wie Demokratie24 für eine neue Qualität des politischen Engagements der Bürger selbst.
Die politische Kommunikation ist also definitiv im Web2.0 angekommen. Über die Bedeutung, die Auswirkung dieses Faktums wird derzeit ein wissenschaftlicher Diskurs geführt. In dessen Mittelpunkt steht das Konzept der digitalen Demokratie (E-Demogracy), welches sich an der deliberativen Demokratietheorie nach Jürgen Habermas orientiert. Ziel dieser Konzeption ist es – ohne nun groß auf das Wesen der Deliberation eingehen zu wollen –, einen stetigen Austausch zwischen Repräsentanten und Repräsentierten zu schaffen [einen interessanten und lesenswerten Artikel zum Thema Weblogs und E-Demokratie findet ihr hier]. Soweit also die Theorie. Die gegenwärtige Praxis sieht jedoch etwas anders aus. Sicherlich gibt es durch „Wahlweblogs“ einen Dialog zwischen Politikern und Wählern, jedoch tritt dabei nur eine Minderheit der Repräsentierten mit den Repräsentanten in Kontakt. So zeigte eine Umfrage der Universität Bamberg im Vorfeld der Bundestagswahl 2005, dass es vor allem internetaffine, politisch interessierte Wähler (meist verfügen diese noch über die Hochschulreife oder ein abgeschlossenes Studium) sind, die politische Internetangebote nutzen. Auch ein Blick in den Nonliner-Atlas 2006 weißt auf eine nur geringfügige Repräsentanz der deutschen Wählerinnen und Wähler im politischen World Wide Web hin, sind doch noch immer rund 36 Prozent der Deutschen nicht zu den "Onlinern" zu zählen.

Halten wir also fest: Der Strukturwandel der Öffentlichkeit, wie er quasi für das gesamte Web 2.0 charakteristisch ist, hat sich inzwischen auch auf die politische Kommunikation ausgeweitet. Politiker, die sich mit Wählern und anderen Politikern in ihren Weblogs über vieldiskutierte Themen austauschen, Bürger, die eigene politische Kampagnen ins Leben rufen und sich über die partizipativen Elemente des Web 2.0 organisieren, all diese Entwicklungen zeigen, welches Potenzial das Mitmach-Web für die Demokratisierung in sich trägt. Inwieweit diese Tendenzen in naher Zukunft fortgedeihen bleibt abzuwarten, aber wer weiß, vielleicht Wählen wir bald nicht mehr in der Wahlkabine, sondern machen unsere Kreuzchen in einem virtuellen Onlinewahlbüro - nur eine von vielen denkbaren Entwicklungen.

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